Die menschenverursachten Leiden der Tiere in der heutigen Gesellschaft sind jedoch in der großen Mehrheit nicht die Folge pathologischer Grausamkeit. Sie ergeben sich aus der ganz "normalen" Verwendung der Tiere aus gesellschaftlich anerkannten Motiven, sei es der medizinische Fortschritt zum Wohle des Menschen, seien es Bestrebungen nach mehr Produktivität und Wirtschaftlichkeit, sei es das Bedürfnis nach Kurzweil und Vergnügen. Da Menschen zu dämmern begann, daß Leiden dabei die Regel und nicht die Ausnahme sind, fand man den Kompromiß, Tieren solle kein "unnötiges" Leid zugefügt werden.
Tatsächlich aber hat die Gewalt gegen Tiere in der westlichen zivilisierten Welt des ausgehenden 20. Jahrhunderts einen nie dagewesenen Höhepunkt erreicht. Noch nie war der Gebrauch von Tieren für alle möglichen Interessen so skrupellos wie heute. Zu Tausenden in kleinen und großen Zirkussen zur Zwangsarbeit gepreßt, zu Hunderttausenden in Zuchthäusern, Zoos genannt, der Freiheit beraubt, um uns zu unterhalten, zu Millionen und Milliarden zu lebenslanger Bewegungslosigkeit in den Mastställen verdammt, Hühner in der Batterie, Kühe in Boxen an Ketten, Schweine mit Gurten festgezurrt, daß sie sich noch nicht einmal kratzen können, wenn es sie juckt - eine chinesische Foltermethode aus finsterster Tyrannenzeit. Wir gebrauchen sie zu Millionen als Vorkoster in der gigantischen Giftküche der chemischen Industrie, hexen ihnen alle Krankheiten der Welt an, nageln ihre Skalps an Wände, dulden das schießgeile Gemetzel männerbündlerischer Exekutionskommandos als angeblichen Beitrag zum Naturschutz.
Vor dem Hintergrund des gnadenlosesten Feldzugs der Menschheit im Tarnmantel tierlieber und tierschützerisch gesinnter Zivilisation wurde 1987 in Frankfurt am Main animal peace gegründet. Die Idee war, mit spektakulären Aktionen und einer unübersehbaren Öffentlichkeitsarbeit die Wahrheit über das Elend der Tiere an die große Glocke zu hängen.
Einige der Gründer und Gründerinnen hatten in den Jahren zuvor Tiere aus Laboratorien befreit und mußten teilweise dafür Gefängnisstrafen absitzen. Sie wollten nunmehr über den Weg eines eingetragenen, gemeinnützigen Vereins, legal und trotzdem aufsehenerregend, für die Tiere kämpfen. Andere stammten aus dem traditionellen Tierschutz. Sie hatten im Laufe langer Jahre erkannt, daß neue zeitgemäße Ansätze im Tierschutz gefordert waren.
Anfangs konzentrierten sich die Ansätze darauf, daß Tieren unter keinen Umständen Schmerzen und Leiden zugefügt werden dürften. Die Forderungen nach Abschaffung der Tierversuche und der Massentierhaltung waren kompromißlos, sie entsprangen jedoch noch eher einer intuitiven Haltung denn einer rationalen Ethik. Die zahlreichen Aktionen fanden bereits einiges Medienecho. Und der Verein fand schon damals ungewöhnlichen Zulauf.
1993 erhielt animal peace mit der Neuwahl des Vorstands weitere Impulse. Die neuen Vertreterinnen und Vertreter gaben dem Verein in wenigen Monaten ein Profil, das sich auf einem durchdachten Konzept und auf einer rationalen Ethik aufbaute.
Die Unterscheidung zum traditionellen Tierschutz wurde ebenso geklärt wie die Abgrenzung zum Artenschutz, der sich lediglich den Gattungen verpflichtet sieht und nicht den betroffenen Individuen.
Die alte Schutzidee, Tieren, die wir benutzen, ein Leben zu ermöglichen, das ihrem Wesen entspricht, wurde endgültig aufgegeben. Wir wollten gegen die Selbstverständlichkeiten antreten, in Tieren überhaupt Gegenstände zum Benutzen zu sehen. Man ändert Ungerechtigkeiten nicht, indem man sie in ein Schema einordnet. Dieser innovatorische Ansatz in der Geschichte der menschlichen Sorge um das Wohl der Tiere hat in anglo-amerikanischen Ländern bereits eine breite Basis der Zustimmung erfahren. Hierzulande mag die Forderung von animal peace nach Grundrechten für Tiere und, (analog zu anderen Befreiungsbewegungen in der Geschichte der Menschheit), nach Befreiung der Tiere aus der Tyrannei des Menschen noch ungewohnt klingen. Eine Ethik, die sich auf eine Reglementierung des Unrechts beschränkt, zielt aber nicht auf das Wesentliche. Ohne das Zugeständnis fundamentaler Eigenrechte werden die Bedürfnisse der Tiere nicht wirklich ernst genommen werden.
Bis diese Erkenntnis Allgemeingut wird, ist es ein langer Weg. Doch auch wenn wir millimeterweise den Himalaya besteigen, werden wir unser hochgestecktes Ziel nicht aus den Augen verlieren, dabei aber auch keine Gelegenheit auf dem Weg dahin versäumen, akutes Leiden zu vermindern.
Im Gegensatz zu anderen unterdrückten Gruppen können die Tiere nicht für ihre Rechte kämpfen. Doch es gab in der Geschichte schon immer machtlose Unterdrückte, für die sich andere einsetzen mußten.
Wir wissen, daß grundsätzliche rechtliche Veränderungen unerträglich viel Zeit in Anspruch nehmen, zumal mit enormer Macht ausgestattete Interessen dagegenstehen. Deshalb sehen wir unsere wesentlichste Aufgabe darin, die breite Öffentlichkeit mit unseren Forderungen vertraut zu machen und sie zu begeistern für die Idee nach mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft, die die entrechteten Tiere miteinbezieht.
Unsere Hauptarbeit gilt der Durchführung von spektatulären Aktionen, um auf die Not der Tiere aufmerksam zu machen und um Bewußtsein zu schaffen für das Unrecht, das sie erzeugt. An Infoständen und bei Veranstaltungen betreiben wir Aufklärungsarbeit, an Schulen führen wir Vorträge zum Thema "Gewalt gegen Tiere" durch, in Fußgängerzonen verteilen wir vegetarische Burger, um Werbung zu machen für eine gewaltfreie Ernährung. Wir lassen keine Gelegenheit aus, Partei zu ergreifen für diejenigen, die auf uns angewiesen sind.
Unsere Forderungen sind kompromißlos, die Aktionen so ausgelegt, daß sie großes Echo erzielen. Unser Weg ist gewaltfrei, doch nicht immer ganz legal. Wer gegen himmelschreiendes Unrecht angeht, kann nicht immer auf vorgeschriebenen Wegen gehen. Das geschriebene Recht schützt die geltende Rechtssituation, und das schränkt die Möglichkeiten, gegen bestehendes Unrecht vorzugehen, oft gewaltig ein. Wir kämpfen jedoch nicht in der Illegalität, wir zeigen unsere Gesichter bei unserem Engagement, das schafft Solidarität.
Bei vielen Aktionen riskieren wir Geldstrafen. Eine Demonstration im Delphinarium oder in einer Zirkusmanege kann als Hausfriedensbruch mit einem Jahr Gefängnis geahndet werden, vor das Schrotgewehr eines Jägers zu laufen, um einem Hasen das nackte Leben zu retten, ist in manchen Bundesländern eine Ordnungswidrigkeit, und kann mit bis zu 10.000 Mark Ordnungsgeld bestraft werden. In Bayern landen wir regelmäßig in der Haftanstalt, wenn wir es wagen, unter dem Motto "Lieber nackt als Pelze tragen..." unbekleidet durch die Fußgängerzone zu flitzen. Meist jedoch anerkennen die Gerichte unsere moralische Motivation und stellen Verfahren gegen uns ein.
Was uns leitet, ist die Vernunft, die uns erlaubt, logische Schlüsse aus moralischen Einstellungen zu ziehen. Was uns treibt, ist die Leidenschaft, ist die Empörung, die Trauer und das Mitleid. Moralität erfordert ein Zusammenwirken von Vernunft und Emotionen, und bezieht ihre Kraft durch Sympathie, aus dem Mitgefühl mit anderen Wesen. Dieses Mitgefühl zwingt uns, auf die Not der Entrechteten mit Taten zu reagieren.
Mit fast 20,000 Mitgliedern ist animal peace inzwischen die größte inländische Tierrechtsorganisation. Die Zahl der Unterstützer und Unterstützerinnen wächst ständig. Und immer mehr Menschen erklären sich bereit, aktiv mitzuwirken. Überall in Deutschland bilden sich Aktionsgruppen, die wichtige Öffentlichkeitsarbeit vor Ort betreiben. Keine Woche vergeht ohne Medienresonanz. Regelmäßig vertreten animal peace'lerinnen und animal peace'ler die Rechte der Tiere in den verschiedenen Talkshows. Ob "Arabella", "2 gegen 2" oder "Hautnah" auf Pro7, "Live aus dem Alabama" im BR oder "1000 Hertz" im WDR oder "Einspruch" auf SAT 1, mit unserer Medienpräsenz erreichen wir jedesmal ein Millionenpublikum.
Im Mai 1995 strahlte Pro7 "Die Reporter" eine Sonderreportage über animal peace und seine Arbeit aus. Über 1000 Anrufe gingen daraufhin bei uns ein, praktisch ausnahmslos positiv. Viele Anrufer und Anruferinnen erklärten, daß sie über die Pro7-Reportage das erste mal überhaupt mit dem Thema Tierrechte konfrontiert wurden. Ein Indiz mehr, daß wir mit der Art unserer Arbeit richtig liegen, und daß die Denkanstöße ankommen.
Was elementare Rechte betrifft gibt es keinen "Extremismus". Wer begriffen hat, daß Tiere wie wir den gleichen Anspruch auf Schutz ihres Interesses am Leben, an Freiheit und an körperlicher und psychischer Unversehrtheit haben, dem muß die Forderung nach Mäßigung, Kompromissen und Toleranz wie blanker Hohn erscheinen.
Wir werden nicht ablassen im Kampf für die Tiere, auch, wenn unsere Gegner übermächtig erscheinen. Wir wissen, wenn moralischer Fortschritt seinen Lauf nimmt, werden die Hindernisse vielfältig sein und der Widerstand derjenigen, dessen Interessen bedroht sind, groß sein. Doch die Tiere sind auf uns, die wir ihr Elend erkant haben, angewiesen, sonderst wird sich auch in hundert und tausend Jahren nichts geändert haben. Das Schweigen zu einer Untat, die man weiß, ist wahrscheinlich die allergemeinste Art unserer Mitschuld, meint Max Frisch. Helft mit, das Schweigen zu brechen - für eine gerechtere Welt.
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