Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Mimmi ist frei. Sie ist eine von 15 Hennen, die wir an den Osterfeiertagen aus ihren Gefängniszellen in einer nordrhein-westfälischen Legebatterie befreit haben. Akute Nothilfe für einige wenige von 54 Millionen Hennen in Deutschland, die ihr Dasein in Bewegungslosigkeit verdämmern müssen. Und täglich kommen weitere Hennen dazu. Immer, wenn uns für Tiere eine neue, sichere Heimat geboten werden kann, heißt dies die konkrete Lebensrettung für einige, die sonst ohne Chance sind. [Bild von drei befreiten Hennen] Moral ist nicht quantifizierbar. Es tut dem Glück der Befreiten keinen Abbruch, daß 120 000 in dieser Batterie zurückgelassen werden müssen. Für jedes befreite Huhn ist seine Befreiung entscheidend.

Es ist auch ein symbolischer Akt. Begleitet von Medien, die die inhaltliche Aussage dieses Akts an ein Millionenpublikum weitergeben. Und es ist juristisch ein Diebstahl, der mit bis zu 2 Jahren Gefängnis geahndet werden kann. Wir hoffen auf einen Prozeß. Denn damit werden wir die Absurdität unseres Rechtssystems aufzeigen können, daß die, gesellschaftlich durchweg begrüßte, Rettung von fühlenden Lebewesen aus schlimmster Not und Folter mit Strafe bedroht wird, während die, gesellschaftlich durchweg geächtete, Massenfolter von Hühnern in Legebatterien für den Zweck der Profitmaximierung rechtlich nicht sanktioniert wird. Wie soll da ein Urteil "Im Namen des Volkes" ergehen?

Wie wichtig unsere Arbeit ist und wie grundsätzlich wir arbeiten müssen, zeigen uns drastisch zwei Vorfälle in den vergangenen Wochen, die das unterentwickelte öffentliche Bewußtsein gegenüber den Tieren wiederspiegelten.

In der gesamten hochgekochten Diskussion um BSE, die zumindest das eine für sich gehabt hat, nämlich eine Entmystifizierung des Fleisches als gesundes kraftschenkendes Nahrungsmittel, kamen die Tiere überhaupt nicht vor. Nur ihre schreckliche Krankheit, nicht sie selbst und ihre Leiden, wurden wahrgenommen, obwohl sie doch mitten im Themenzentrum standen. Was den promovierten Philosophen und Sprecher für ethische Grundfragen bei animal peace, Helmut F. Kaplan, zu dem Ergebnis kommen ließ:

"Bis jetzt gab es für Fleischesser noch eine letzte, wenn auch lausige Ausrede: Wir haben nicht gewußt, was wir mit unserem Fleischessen den Tieren antun. Seit März 1996, dem großen Rinderwahnsinn, gibt es diese Ausrede nicht mehr. Angesichts der breiten Berichterstattung weiß nun auch der letzte Dummkopf, was Fleischessen für Tiere bedeutet. Und was war die Reaktion auf dieses Wissen. Schamvolle Ein- und Umkehr? Nein, zynisches Bekenntnis: "Wir machen weiter, uns schmeckt es trotzdem, das bekommen wir schon in den Griff!" Wer jetzt noch glaubt, die Menschen mit Moral ändern zu können, bei dem ist der Rinderwahnsinn schon ausgebrochen."

Ein ganz anderes Ereignis: die Trennung des Polittraumpaars Hiltrud und Gerhard Schroeder. Klischees zum Erbrechen tischte da manches Bundesbildblatt auf. Der arme Mann: Zum Würstelfressen mußte er sich aus dem Haus stehlen, kein Schnitzel und keine Weihnachtsgans am ehelichen Eßtisch, statt dessen Gemüse und nächtelanges Konversieren Hillu mußte auf Teufel komm raus das Vorurteil vom lustfeindlichen Vegetarier bedienen. Und welche Demütigung sie ihrem Mann antat, mußte der volltrunkene Spätheimkehrer Gerhard doch tatsächlich im Meerschweinchenzimmer übernachten. Die Verbannung des Mannes mit seiner Fahne aus dem ehelichen Schlafzimmer ginge ja noch an. Aber der Ort der Verbannung! Bei den Meerschweinchen. Bei Tieren schlafen müssen. Die allergrößte Erniedrigung. Und soll so empfunden werden, weil Tiere auf der Werteskala ganz unten angesiedelt sind.

Soweit unten, daß auch die niederträchtigste, brutalste, rücksichtloseste Behandlung immer weniger zählt als ein minimales Ärgernis, das einem Menschen widerfährt.

"Die Vögel hatten den neuen Tag angekündigt, als wäre es der Morgen nach der Schöpfung. Laue Lüfte trugen den Duft des Waldes heran, und aus den Hotelküchen kamen die Essensgerüche. Herman meinte, den Schrei eines Huhns zu hören. Irgendwo wurde an diesem lieblichen Sommermorgen Geflügel geschlachtet; Treblinka war überall." (Isaak Beshevis Singer)

Die Vögel, jedenfalls zwei Haustierarten davon, stehen im Brennpunkt dieser Ausgabe. Die einen Opfer der allerrücksichtslosesten Ausbeutung durch Menschenhand: die modernen Hybridhühner als Hochleistungszuchtform des Haushuhns. Die anderen Opfer des Spießbürgertums und des globalen Vernichtungsdrangs gegen die konkurrierende Tierwelt: die Tauben.

Seit Jahrzehnten wird aufgeklärt, agiert, demonstriert, prozessiert. Geändert hat sich an der Hühnerhaltung nichts. In zwanzigster oder dreißigster Generation stehen die Hühner dicht an dicht gepreßt in Gitterkammern und legen Ei um Ei bis zum Verrecken. Und der Verbraucher mißbilligt einstimmig die Zustände und ißt weiter Ei um Ei und Huhn um Huhn. Der Fraß geht weiter - und Jedermann und Jedefrau frißt auf seine kleine miese Art mit und nährt die allesfressende Wirtschaft.

animal peace setzt auf neue Wege und neue Impulse bei der Befreiung der Hühner aus Treblinka.... Erste vorsichtige Anfragen zweier Lebensmittelketten gingen bereits bei einem Fernsehsender sein, der über unseren Protest berichtete: würden Sie auch berichten, wenn wir Legebatterieeier boykottieren würden?? Wir sind verhalten hoffnungsfroh!!

1996 haben wir schon bis zum Frühjahr viel Korn in die Scheune gefahren, einigen Tieren konnten wir das Leben retten. Für viele andere konnten wir wieder Breschen ins menschliche Bewußtsein schlagen. Wir waren überdurchschnittlich oft auch in den Medien bei Talksendungen vertreten, mit großartiger Resonanz. Besonders erfreulich: die Intellektuellen entdecken das Thema Tierrechte - so, wie wir es mit der Sonderausgabe und der Darlegung der Philosophie der Tierrechte im Sommer 1995 bezweckt haben. Die ZEIT dachte am 26.April 1996 das Thema erstmals an; vorsichtig tastend und unpolemisch näherte sie sich dem Gedanken, daß unsere herrschende Moral gegenüber Tieren keine Basis für beherrschende Probleme mehr bieten kann.

Herzlich,

Eure RECHT FÜR TIERE - REDAKTION

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