Bewährung für den Hühner-Hitler

100 Millionen Hühner und mehr sind dem Hühner-Baron Anton Pohlmann in den letzten zwei Jahrzehnten zum Opfer gefallen. Im Juni 1996 stand er wieder vor Gericht. Ihm wurde unter anderem vorgeworfen, gegen den Milbenbefall seiner Legehennen hochgiftiges Nikotin-Sulfat eingesetzt zu haben. Nach drei Verhandlungstagen wurde er zu einer Geldstrafe von insgesamt 3 Millionen Mark, 2 Jahren Haft auf Bewährung und einem lebenslangen Tierhalteverbot verurteilt.

Oldenburg - Die USA kann mit Recht als ein Paradies für Wirtschaftsgiganten bezeichnet werden. Im Liberalismus geht es den Machtvollen und den Ellenbogenmenschen besonders gut. Beim Schmieden an seinem persönlichen Glück bewies Emporkömmling Anton Pohlmann den richtigen Riecher und verlegte sein Eierimperium nach Ohio. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gelten liberale Grundwerte noch etwas und die natürlichen Lebengrundlagen stehen den Aufwärtsstrebenden in vollem Umfang zur freien Verfügung. Hühner inklusive. Einige Staaten haben noch nicht einmal ein Tierschutzgesetz.

Ohio hat schon, aber Hühner zählen als Geflügel in diesem Gesetz nicht zu schützenswerten Tieren. Keine lästigen Bestimmungen hindern strebsame Eierproduzenten bei ihren ehrenwerten Bemühungen um die Nahrungsmittel-Produktion zu erschwinglichen Preisen für Jedermensch. Da darf in Käfige gepreßt werden, was reinpaßt, kein Gericht pinkelt einen an, wenn zwecks profitabler Produktion die Zellen "überbelegt" werden. In Hardy County quälen sich unter Pohlmanns Agrigeneral 7 Millionen Hühner Tag um Tag Ei um Ei ab. Und jedes Jahr sind es "neue" sieben Millionen. 15 Millionen Hühner sollen es mal werden.

In der Bundesrepublik war Anton Pohlmann Herr über immerhin sechs Millionen Hühner, als ihn Anfang des Jahres scheinbar das Glück verließ. Ein ungeschickter Farmarbeiter namens Fikret Oezdemir trug beim befohlenen Einsatz von Nikotin-Sulfat gegen den Milbenbefall seiner Legehennen schwerste Vergiftungen davon. Jede zehnte Henne starb nach dem Einsatz der Nikotinlösung. Der 27jährige Arbeiter beinahe, nachdem Pohlmann und sein Sproß Stefan dem Schwerverletzten erst nach Stunden ärzliche Hilfe zukommen ließen. Denn was ein echter Pohlmann ist, der läßt sich von fremden Elend so schnell nicht beeindrucken. Fix verkaufte er noch sieben Millionen nikotinverseuchte Eier, bis die Sache aufflog.

Oldenburgs Staatsanwaltschaft, von Humanität angefressen, sah die Angelegenheit nicht so läppisch und nahm den Großindustriellen mit dem 1.Februar für 7 Wochen in Untersuchungshaft. Kurz zuvor hatte Pohlmann sein Eierimperium für angeblich 320 Millionen Mark verkauft und nutzte die kurze Ruhepause in seiner vergleichsweise großzügig bemessenen Zelle (Bodenhaltung), um seine weitere berufliche Laufbahn zu ordnen. Er wurde Geschäftsführer und Gesellschafter der Goldhuhn-Eierhof Beteiligungsgesellschaft und Geschäftsführer der Hausstetter Farm-Ei Beteiligungsgesellschaft. Beide Firmen befanden sich fest in der Hand von Familienangehörigen. Als Geschäftsführer brauchte ihn auch ein Tierhalteverbot nicht jucken, das aufgrund zahlreicher vorgeworfener Verstöße gegen das Tierschutzgesetz drohte.

Und mit viel Geld im Rücken kann man Gerichtsverhandlungen in aller Regel gelassen entgegensehen. Oezdemir verstrickte sich bereits am ersten Verhandlungstag erwartungsgemäß in Widersprüche und die Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung wurde fallengelassen. Das Verfahren gegen den mitangeklagten Pohlmann-Sohn Stefan wurde gegen ein Bußgeld von 100 000 Mark eingestellt, nachdem Pohlmann Senior ganz väterlich alle Schuld auf sich geladen hatte. Der Sprößling ist im zarten Alter von 25 Jahren im niederbayerischen Vollnbach Betreiber der Bayern-Ei Ettling GmbH. Seine Hühner sind mit Wachschutz und Bewegungsmeldern an jedem Winkel besser bewacht als manch ein Schwerverbrecher.

Ohne dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung und der unterlassenen Hilfeleistung blieben noch 29 weitere Anklagepunkte wegen Verstoßes gegen das Tierschutz,- Lebensmittel- und Arzneimittelgesetz. Überbelegte Käfige, die unter Strom gesetzt wurden, um die Hühner in Bewegung zu halten, Desinfektionsmittel im Futter gegen Salmonellen, das den Hennen die inneren Organe verätzte, Falschdeklaration von Eiern. Gegen den Salmonellenbefall der Hennen dagegen wußte er eine absolut giftfreie Methode: im heißen Sommer 1994 schaltete er die Belüftungsanlage ab. 80 000 Hennen erstickten. Aus auch für die Salmonellen. Aber ein Pohlmann weiß sich darzustellen. Die Hühnerbegasung mit Nikotin bezeichnete er beispielsweise gar als einen Akt der Tierliebe. Ihm hätten die Hennen leid getan, die unter den Milben leiden mußten...

Zwei Jahre Haft für einen Mann, der Zeit seiner Schaffensperiode wohl um die 100 Millionen Hühner psychisch und physisch zerstört hat. Und drei Millionen Mark Strafe für einen Mann, der bereits 1980 ein Tageseinkommen von 70 000 Mark verbuchen konnte. Ein Tierhalteverbot für einen Schreibtischtäter, der sich schon lange nicht mehr in der federstaubenden stickigen Luft düsterer Ställe mit zehntausenden kreischenden Hennen die Hände schmutzig macht.

Ein Urteil. Ein Hohn für alle ausgemergelten über 50 Millionen Hühner, die in bundesdeutschen Legebatterien zur maximalen Produktivität gepreßt werden, und für die eine Milliarde Hühner, die bereits bis zum Verrecken ausgepreßt worden waren. Seit den 60er Jahren. Seit Käfighaltung modern und unerläßlich wurde. Unerläßlich, um auch die anderen, im Liberalismus auf der Strecke Gebliebenen, preisgünstig mit "Grundnahrungsmitteln" zu versorgen. Und so kann der 56jährige Hühner-Hitler selbstgerecht auch zukünftig die Biomasse Huhn verwalten.

Anton Pohlmann hat überraschend gegen das Urteil Revision beim Oberlandesgericht beantragt. Überraschend, weil der nach seiner Meinung befragte Anwalt Pohlmanns zwar erwartungsgemäß über die unangemessene Härte des Urteils lamentierte, eine Revision aber ausschloß, weil er sich davon keine Verbesserung für die Situation seines Mandanten versprach. Die Grünen vermuten im Revisionsantrag eine Verschleppungstaktik, da gegen Pohlmann noch ein Verfahren wegen Beschäftigung von Schwarzarbeitern läuft.

Nach dem Urteilsspruch gegen Anton Pohlmann und seinen Sohn Stefan soll in der Bayern-Ei Ettling GmbH im Juni illegal Nikotin eingesetzt worden sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt mal wieder.

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