Jede demokratische Politik beansprucht mit den meisten sozialen Entscheidungen und politischen Verfahren das Ziel größtmöglichen Nutzens für die größtmögliche Anzahl. Offenbar gilt das ausgerechnet nicht für die Macherinnen des Frauenmagazins "Emma", die sich dem Ziel einer gerechteren Welt für die diskriminierte Gruppe der Frauen verschrieben haben.
Ausgerechnet, weil es gerade mal zwei Jahre her ist, als "Emma" eine Ausgabe den Rechten der Tiere widtmete, engagiert, kompromißlos, wie wir es uns nicht besser hätten wünschen können. Magazin um Magazin folgten Beiträge zum Thema. Unser Eindruck festigte sich, daß es den "Emmas" zum ernsthaften Anliegen geworden war, nunmehr auch für die anderen Opfer patriarchaler Kultur zu streiten, den Tieren.
Und doch nur ein Lippenbekenntnis. Einen bitteren Vorgeschmack bekamen wir bereits vor einem halben Jahr, als Alice Schwarzer bei Alfredissimo in Bioleks Kochstudio ein "Zitronenhuhn" zubereitete. Eine Frau, die um die Bedeutung öffentlicher Auftritte von Personen in exponierter Stellung weiß, taucht die nackte, bleiche Leiche eines Huhns ins Wasserbad und lügt dummdreist in die Kamera von der sorgfältigen Auswahl des Tiers aus "artgerechter" Tierhaltung.( In der Regel Legebatterie). Das Huhn Opfer der Eitelkeit einer Frau, die es besser wissen müßte. Das Huhn Opfer populistischer Bemühung um ein bürgerliches Charisma, Feministinnen nicht im Licht vegetarischer Sinnesfeindlichkeit erscheinen zu lassen. Präsentation der eigenen Unglaubwürdigkeit, weil es ein öffentlicher Akt war. Anbiederung um jeden Preis. Auch um den Preis der eigenen Überzeugung.
Überzeugung? Das Zitronenhuhn noch kaum verdaut, servierte frau den nächsten Brocken. In der Juli-Ausgabe der " Emma" folgt der Stich ins Herz aller Frauen und Männer, die nach wie vor das oberste Ziel demokratischer Politik im größten Nutzen für möglichst viele sehen - und eben nicht in größtmöglichen Privilegien für einige aufkosten anderer. Die "Emmas", die aufgrund ihres Erfahrungsschatzes sensibilisiert sein müßten für die Mechanismen der Diskriminierung, schwelgen von der mutigen "Heldin" Cristina Sanchez, die die Männerdomäne Stierkampf erobert hat. Da wird sogar mit einem Zitat aus dem sonst verhaßten "Herrenmagazin" "stern" aufgemacht , mit einer Wortwendung, die die totgestochenen Stiere verschwinden läßt im metaphorischen Vergleich. Im Lobgesang für die Stierabstecherin läßt sich "Emma" gleich noch im Beisatz abfällig und in typisch machistischer Tradition über den Friseusenberuf aus, der im übrigen ganz unblutig ist und deshalb 1000fach ehrenwerter als der der "Heldin" Sanchez.
Die Sorge um das Wohl der Stiere tut "Emma" dann folgerichtig ab als Anliegen von "Tierfreundinnen", die über diese feministische Entwicklung "stöhnen". Abseits des wichtigen Frauengeschehens hat schließlich das Schicksal der Tiere nur diejenigen etwas anzugehen, die Tiere süß und goldig finden. Also ein absolut bedeutungsloses Randthema, jedenfalls wenn frau über den feministischen Tellerrand nicht hinausblicken mag.
Und die "Emmas" mögen so wenig, daß sie noch nicht einmal die verräterische Sprache der Toreros und der Torera entlarven, wenn sie von "Liebe" und "großen Respekt" gegenüber dem Stier sprechen - gewaltige Begriffe für eine tödlich Gewalttat. Auch Frauenfreunde sprechen gern von großen Gefühlen und meinen Macht, Herrschaft und Besitz.
Simone de Beauvoir schreibt in ihrer feministischen Analyse "Das andere Geschlecht": "Ein Vorteil, den die Unterdrückung den Unterdrückern verschafft, besteht darin, daß noch der geringste von ihnen sich überlegen fühlt: ein "armer Weißer" im Süden der USA kann sich damit trösten, daß er kein "dreckiger Neger" ist, und die wohlhabenderen Weißen beuten diesen Dünkel geschickt aus. Ebenso hält sich auch das minderwertigste männliche Wesen den Frauen gegenüber für einen Halbgott..." Was für ein Glück für die spanische Frau im patriarchalen Gefüge der Latino-Kultur, daß es Stiere gibt, denen frau Spieße ins Herz bohren darf, die frau vernichten darf, um die eigene Unfreiheit vermeintlich zu besiegen. In der Vernichtung aber fühlt frau sich eins mit den männlichen Unterdrückern. Die spanischen Männer werden diesen Dünkel geschickt für sich auszubeuten wissen.
Mit der Wiederbelebung machistischer Kultur wird es der spanischen Frau niemals gelingen, sich zu befreien aus den Zwängen dieser, sie diskriminierenden Welt. Weil sie starke, schöne, wilde Tiere tötet und damit selbst auch jede Würde verliert. Wie der Pöbel, der ihr Binden zuwarf und sich bei weiblichen wie männlichen Toreros auf den Zuschauerrängen der Arenas allsonntäglich wie toll gebärdet, schlimmer als Hooligans im Fußballstadion. Im Freudenrausch, daß es etwas gibt, was sogar noch unter ihnen steht. Stiere.
Ein Feminismus, der in der Verdoppelung der TäterInnen einen Erfolg sieht, der Frauen frei sehen will um jeden Preis, entlarvt sich als der nackte Selbstzweck, der gnadenlos verfolgt wird, ohne einen politischen Anspruch zu erfüllen. Allein das Geschlecht des Täters macht dann aus einem Unrecht eine Heldentat.
Wäre dieser Artikel geschrieben worden vom "stern" oder einem anderen "Herrenmagazin", es wäre nur einer unter vielen gleichlautenden gewesen. Aber er stammt aus der Feder einer Redaktion, die sich engagiert mit der Unterdrückung der Tiere durch das Tier Mensch beschäftigt hat. Und das macht ihn unverzeihlich.
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